Ein Jahrhundert Skiclub Gaschurn
Eine Rückschau auf 100 ereignisreiche Vereinsjahre
Einführende Bemerkungen
Über die Geschichte des mittlerweile seit 100 Jahren bestehenden Skiclubs Gaschurn wurde schon einiges geschrieben. Bereits im Jahre 1969 hat Rudi Mathei anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Skiclubs eine Festschrift verfasst und somit verhindert, dass die Anfangszeit in Vergessenheit geraten konnte. Im Rahmen seiner Diplomarbeit über die 100-jährige Skigeschichte des Montafons hat sich Andreas Brugger ebenso intensiv mit dem Skiclub Gaschurn befasst und die wichtigsten Ereignisse bis ins Jahr 2006 festgehalten. In einem weiteren kurzen Aufsatz im Jahresbericht 2016 hat er sich anlässlich des 110-Jahr-Jubiläums der ältesten Montafoner Skivereine auch mit den jüngsten Erfolgen der Gaschurner Snowboarder befasst. Es wird nun in weiterer Folge die ereignisreiche Geschichte des Skiclubs Gaschurn im Überblick dargelegt. Die Vorgeschichte und Gründung sowie die Kapitel bis zur Jahrtausendwende wurden von Andreas Brugger verfasst und der Teil über die Jahre 2001 bis 2019 von Josef Manahl.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im Jahresbericht der Montafoner Museen 2019, S. 71-74. erschienen. Für vertiefende Informationen rund um den Montafoner Skisport sowie der Chronik des SC Gaschurn empfehlen wir: Brugger Andreas: Vom Pioniergeist zum Massensport. 100 Jahre Skisport im Montafon. Schruns 2006 (Sonderband 3 der Montafoner Schriftenreihe).
Eine kurze Vorgeschichte
Die ältesten Wintersportclubs des Montafons sind jene von Schruns und Tschagguns, die bereits im Winter 1906/07 gegründet worden sind. In der Innerfratte ist der 1919 gegründete Skiclub Gaschurn der älteste seiner Art. Dennoch wurde auch dort bereits davor Ski gelaufen. So erinnerte sich der 1908 geborene Peter Rudigier wie folgte an die Jahre des Ersten Weltkriegs zurück:
Wir haben dem Vater heimlich alte Heuschlitten zusammengesägt und auf die Kufen Querriemen genagelt. Das ist unsere eigene Erfindung gewesen. […] Ein gewisser Heinrich Gleißner, den Namen habe ich mir noch gemerkt, hat auf dem „Blendelak“den halben Winter das Vieh gefüttert. Der Bursche ist dann auf Fassdauben mit der „Bazida“ auf dem Rücken vom Stall heimgefahren bis zum Alois Tschofen hinunter, wo er gewohnt hat, den ganzen Vand hinunter wie der Teufel. Der hat weitaus am besten von allen damals in Gaschurn Schi fahren können. Da sind wir alle nicht mitgekommen.
Als nach dem Krieg die Soldaten heimkehrten, waren es plötzlich nicht mehr nur die Schulbuben, die auf Skiern die Hänge hinunterfuhren. Viele Soldaten hatten im Krieg bei Männern wie Oberst Georg Bilgeri oder Hannes Schneider Skifahren gelernt und so war es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Skiclub gegründet wurde. Dauerte es in Schruns und Tschagguns bis 1921 bzw. 1927 bis die dortigen Vereine ihre Tätigkeiten wieder aufnahmen, so kam es in Gaschurn bereits 1919 zu einer Skiclub-Gründung.[8]
Die Gründung des Skiclubs Gaschurn im Jahre 1919
Ursprünglich trug der Verein, der auf die Initiative von einem Zollbeamten namens Wurzer zurückging, den exotischen Namen „Skiclub Wandergeist“, was jedoch schon bald in „Skiclub Gaschurn“ umgeändert wurde.[9] Zwar ist das Gründungsprotokoll nicht mehr erhalten, allerdings gibt es noch eine Auflistung der Gründungsmitglieder:
Berchtold, 1. Obmann Gebhard Pfefferkorn, Partenen
Zollbeamter Wurzer Alwin Tschofen
Hotelier Arthur Keßler Peter Tschofen
Ernst Keßler Maria Pfefferkorn, Partenen
Bernhard Wittwer Laura Keßler
Rudolf Wittwer Hermin Tschanun
Franz Tschofen, Partenen Edi Tschanun
Sepp Bodlak Alwin Flöry
Das Gründungsmitglied Arthur Kessler erinnerte sich anlässlich der 50-Jahrfeier des Skiclubs im Jahre 1969 wie folgt an die Anfänge zurück:
Ich hätte mir einen Wintersportplatz wie Gaschurn ohne den Schiclub und seine rege Tätigkeit zum Wohle des Schisportes nie vorstellen können. Soweit es in meinen Kräften stand, war es mir als Funktionär und langjähriger Obmann des Clubs stets darum zu tun, meine Mitmenschen für diesen gesunden Sport zu begeistern und die Faktoren Wintersport und Fremdenverkehr in Gaschurn, und somit auch im Montafon, zu einer positiven Synthese zu vereinigen. Ich liebe den Schisport auch heute noch wie eh und je. […]
Die Zwischenkriegszeit
Im Jahre 1923 fand am Dreikönigstag der erste Vereinslauf statt, der von Oskar Keßler gewonnen wurde, der einige Jahre später, nämlich 1932, auch die Skischule Gaschurn gründete und bis 1963 leitete. Er war zudem der Initiator des Versettlalaufes, eines landesverbandsoffenen Wettbewerbs, der im Winter 1933/34 als alpine Kombination erstmals stattfand. Zwischen 1937 und 1948 wurde zudem der so genannte Stemmler-Torlauf durchgeführt, der nach seinem Sponsor, dem Schweizer Fabrikanten Jacques Stemmler, benannt wurde. Er war ein Gast im Lifinarhaus von Arthur Keßler und hatte Oskar Keßler als Privatskilehrer engagiert. Seine große Begeisterung für die vom Skiclub organisierten Rennen führte dazu, dass er diese finanziell unterstützte, was ihm auch die Ehrenmitgliedschaft im Verein einbrachte. Erfreulich war für die Vereinsverantwortlichen zudem, dass der Montafoner Staffellauf, bei dem eine zehn Kilometer lange Achterschleife zwei Mal durchlaufen werden musste und der zwischen 1935 und 1938 vier Mal durchgeführt wurde, drei Mal gewonnen werden konnte. Lediglich im Jahre 1937, und somit genau in jenem Jahr, in dem der SC Gaschurn den Staffellauf durchführte, musste der Staffel des Skiclubs Silvretta Partenen der Vortritt gelassen werden. Der Zweite Weltkrieg führte zu einem vorläufigen Ende der Vereinsaktivitäten, da es laut dem Historiker Wolfgang Weber im Zuge der nationalsozialistischen Gleichschaltung der Sportvereine am 19. Oktober 1939 zu einer „freiwilligen“ Auflösung des SC Gaschurns kam.
Von der Skiclubneugründung 1945 bis zur Fertigstellung des Silvrettalifts 1949
Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Bestrebungen, den Skiclub wieder zu gründen, weshalb es am 11. November 1945 zu einer Gründungsversammlung kam, die den folgenden Ausschuss wählte:
Obmann: Arthur Keßler
Obmann-Stellvertreter: Albert Sohler
Schriftführer und Kassier: Arnold Keßler
Sportwart: Oskar Keßler
Jugendwart: Arnold Rudigier
1. Beirat: Josef Tschanun
2. Beirat: Emma Flöry
Als erste Veranstaltungen wurden 1947 und 1948 die fünfte und sechste Ausgabe des Stemmler-Torlaufs durchgeführt, die zwar keine Montafoner Sieger brachten, aber in der Juniorenklasse konnte 1948 niemand Geringerer als jener Othmar Schneider den dritten Platz belegen, der vier Jahre später in Oslo Olympiasieger im Slalom werden sollte.
Während es zur Zeit der französischen Besatzung relativ einfach war, Skirennen durchzuführen, so war der Bau von Skiliften schon wesentlich schwieriger. Dennoch wurde 1947 mit den Planungen für den so genannten Silvrettalift zum Rehsee begonnen, dessen Bau jedoch einige Zeit dauerte und so kam es, dass bereits davor der Zweierschlepplift Motta gebaut wurde, der der erste Skilift der gesamten Innerfratte war. Im Januar 1949 konnte dann zudem der Silvrettalift eröffnet werden. Viele weitere Lifte sollten diesen Pionierbauten folgen und die Silvretta Nova zu einem bekannten Skigebiet machen.